Dienstag, 26. Mai 2015

Was ich verlor...

Ich hatte mal einen besten Freund. Wir waren unzertrennlich. Er war der einzige Mensch, dem ich jemals wirklich vertraute und anders herum war es genauso. Unsere Freundschaft hielt nur ein halbes Jahr, aber ich habe niemals jemanden besser gekannt. Das Unwirklichste im Nachhinein ist, dass ich mich in seiner Nähe wirklich wohl fühlte. Während ich sonst beinahe panisch jedes Telefongespräch mit egal wem vermeide, so rief ich ihn manchmal mitten in der Nacht einfach an, weil seine Stimme mich beruhigte. Ich war nie nervös in seiner Gegenwart, wenn er bei mir war, dann ging es mir gut. Er legte mir die Welt zu Füßen und ich sah gar nicht, was ich für ein Glück hatte. Ganz ehrlich, ich verstand es nicht. Und da war niemand, der es mir sagte.

Und dann ist er gegangen. Man könnte alle möglichen Gründe finden, um ihm das übel zu nehmen, aber schlussendlich bringt das rein gar nichts. Er hat einfach beschlossen, dass er ohne mich besser dran ist. Wie könnte ich ihm das übel nehmen? Für eine Weile viel ich ein relativ großes Loch, so für ein halbes Jahr erkannte mich keiner wieder. Diese Zeit kommt mir vor wie ein Traum. Erst ging ich jeden Tag in die Schule wie Trance, sprach mit niemanden und versuchte nur nicht aufzufallen. Dann beschloss ich, das Schuljahr zu wiederholen und brauchte daher nicht mal mehr am Unterricht teilnehmen. Außer schlafen und zocken tat ich also nichts mehr.

Das Schlimme war nicht unbedingt seine Entscheidung, sie kam nur so verdammt plötzlich, von einem Tag auf den anderen. Erst saß ich noch bei ihm zu Hause und wir schauten uns Batman an und am nächsten Tag behandelte er mich wie Luft. Ohne ein Wort der Erklärung. Es dauerte ganze 3 1/2 Jahre, bis er mir wieder in Augen sah.

Ich bin kein besonders emotionaler Mensch, auf die meisten Leute wirke ich sogar recht kühl und unnahbar. Aber ich bin furchtbar schlecht darin, Freunde zu verlieren. Und er war damals mein einziger wirklicher Freund. Das lag daran, dass ich vor ihm sehr zurückgezogen gelebt habe, absichtlich. Ich hatte mich damals besser und sicherer gefühlt, wenn ich allein war, deswegen hatte ich mich über eine zeit stark distanziert. Nun gab ich dieses Leben gerne für ihn auf und wurde somit angreifbar. Er wurde mein Leben. Als er mich sitzen ließ, blieb nichts mehr übrig, was mir etwas bedeutet hätte.

Ich erinnere mich noch an einen Nachmittag nach Ende der Unterrichtszeit auf dem Schulhof. Er ging direkt an mir vorbei, schnur geradeaus. Und ich rief ihm hinterher: "Alex, wir haben denselben Weg nach Hause, lass uns doch zusammen gehen". Und er ging einfach weiter. Ich konnte ein viel zu schrilles und verzweifeltes "Spinnst Du?" nicht zurückhalten. Und dann stand ich noch ein paar Minuten einfach nur so da und konnte es nicht fassen.

Es dauerte vielleicht 2 Wochen, bis ich anfing, ihn schmerzhaft zu vermissen. Jahre vergingen, ich fing mich wieder. Er ging nicht mehr auf die Partys, auf die wir beide eingeladen waren, weil er mich nicht sehen konnte. Also blieb mir nichts anderes übrig, als unsere gemeinsamen Freunde nach ihm auzufragen. Ich musste sicher gehen, dass es ihm gut ging. Überwinden konnte ich ihn nie. Vor allem, weil mir niemand sagen konnte, was in Gottes Namen sein Problem mit mir gewesen war. Nichts half, aber die Zeit verging und plötzlich fand ich mich in einem riesigen Freundeskreis wieder, den ich bis heute halten kann.

Alex hat mein Leben in mehr als nur ein paar  Weisen bereichert. Aber vor allem hat er mir gezeigt, dass man nicht nur für die Liebe, sondern auch für die Freundschaft kämpfen muss und dass nichts selbstverständlich sein darf.

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